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30.09.2022

„Lauterbach gefährdet die ambulante Versorgung!“ – Protest sieht auch Praxisschließungen in Hamburg vor

`Lauterbach saugt Praxen aus – und gefährdet damit Ihre Versorgung´, so lautet der Titel einer Informationskampagne, mit der die Hamburger Vertragsärztinnen und -ärzte und Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten gegen die Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers protestieren. Die Niedergelassenen warnen vor einer massiven Verschlechterung der ambulanten Patientenversorgung. Die Protestmaßnahmen sind heute der Öffentlichkeit vorgestellt worden: Neben einer umfassenden Patienten-Informationskampagne wird es auch zu Praxisschließungen kommen; zahlreiche Hamburger Ärztinnen und Ärzte samt Praxisteams werden am kommenden Mittwochvormittag (5. Oktober) an einer Protest- und Fortbildungsveranstaltung teilnehmen.

Dr. Björn Parey, stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Hamburg, sagte: „Lauterbach gefährdet die ambulante Versorgung unserer Patientinnen und Patienten, dagegen müssen wir uns wehren. Es wird unweigerlich zu Leistungskürzungen kommen, zu Einschränkungen des Angebots von Sprechstunden, längeren Wartezeiten auf Termine und Aufnahmestopps in den Praxen. Und wir müssen unsere Patientinnen und Patienten darüber informieren, welche verheerenden Auswirkungen es für sie hat, wenn die Politik dem ambulanten System immer mehr Mittel entzieht. In einer Zeit, in der sehr viele Praxen durch Superinflation, explodierende Energiekosten und weiterhin sehr hohe Zwangsrabatte ohnehin massiv unter Druck stehen, treffen die geplanten zusätzlichen Kürzungen nun besonders hart – und sind nebenbei auch ein desaströses Signal an den ärztlichen Nachwuchs.“

Dr. Andreas Bollkämper, niedergelassener Facharzt für Radiologie in Hamburg, sagte: „Die Praxen haben sich auf die Zusagen der Politik verlassen – und geliefert. Aufgrund der Regelungen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG), wonach die Behandlung von Neupatienten seit 2019 ohne Abschläge vergütet werden, wurde in zusätzliche Versorgungsangebote investiert; die Praxen haben ihre Sprechstundenzeiten und ihr Terminangebot ausgeweitet, mehr Neupatienten aufgenommen, Praxisabläufe umorganisiert, Arbeitszeiten der Praxisteams erhöht. Damit wurde die Versorgung signifikant verbessert, die Wartezeiten konnten drastisch verkürzt werden. Wird jetzt der Großteil dieser Zusagen wieder zurückgenommen, ist dies zutiefst unfair. Wir brauchen niedrigschwellige Terminangebote, offene Sprechstunden besonders für Patientinnen und Patienten in schwächer versorgten Regionen, für Neupatienten und Neuzugezogene. Deshalb müssen die jetzigen Regelungen beibehalten werden.“

Dr. Silke Lüder, niedergelassene Hausärztin in Hamburg und Mitglied des Protest-Komitees, sagte: „Wenn künftig die Wartezeiten auf Facharzttermine länger werden, führt das dazu, dass unsere Patientinnen und Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf verstärkt in der Klinik landen – das ist schlecht für sie und verteuert die Versorgung. Lauterbachs Ministerium behauptet zwar, dass sein Spargesetz nur die Fachärzte beträfe, das ist aber nicht der Fall. Auch die Hausarztpraxen sind in Hamburg ganz besonders betroffen; wir haben bundesweit die „rote Laterne“, jede fünfte Leistung wird unseren Praxen nicht bezahlt. Gleichzeitig werden Milliarden verschwendet für überflüssige Konnektor-Austausch-Aktionen oder umgeleitet in andere Strukturen wie Gesundheitskioske oder Apotheken, die Aufgaben übernehmen sollen, die den Hausärzten obliegen. Das ist absurd.“

John Afful, Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg, sagte: „Die Hamburger Praxen haben viel geleistet: Seit Einführung der Neupatientenregelung 2019 bis Ende 2021 stieg die Versorgung von Neupatienten um 19 Prozent auf eine Anzahl von insgesamt 6,1 Millionen, allein in Hamburg. Gleichzeitig wurden insgesamt vier Prozent mehr Fälle in Hamburger Praxen versorgt. Gerade in den sozial schwächeren Stadtteilen haben die Praxen für eine Ausweitung der Behandlungskapazitäten gesorgt. Die jetzigen Pläne der Politik gefährden das, was bislang schon erreicht wurde.“

Verweis auf Notfallversorgung am 5. Oktober

Patientinnen und Patienten können sich an diesem Tag während der Praxisschließungen gern an den ärztlichen Bereitschaftsdienst Arztruf Hamburg über die 116117 wenden. Die KV Hamburg hat die Kapazitäten im fahrenden Notdienst erhöht; außerdem werden das INZ am Marienkrankenhaus sowie die Notfallpraxen in Harburg, Altona und am Bundeswehrkrankenhaus bereits ab 8 Uhr geöffnet sein. Der kinderärztliche Notdienst wird ebenfalls ab 8 Uhr in der Notfallpraxis Altona der KV Hamburg sichergestellt.

Zum Hintergrund:

Die Neupatientenregelung war von Karl Lauterbachs Vorgänger im Amt, Jens Spahn, im Jahr 2019 als Teil eines umfassenden Reformpaketes eingeführt worden. Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten wurden dazu verpflichtet, gleichzeitig ihre Sprechstunden auszuweiten, offene Sprechstunden einzurichten, mehr schnelle Termine anzubieten und zusätzliche Neu-Patienten aufzunehmen. Im Gegenzug erhalten die Praxen seither die Vergütung für diese Fälle extrabudgetär, also ohne Zwangsrabatte und Abschläge. Lauterbach hat damals als Bundestagsabgeordneter dieses Gesetz vollumfänglich mitgetragen, ja gefordert. Lauterbach plant jetzt, diese Regelung mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zu streichen. Auf einer Sondersitzung hatte die Vertreterversammlung der KV Hamburg beschlossen, ein Protest-Komitee zu installieren und Protestmaßnahmen durchzuführen.

Informationen zur Protest-Kampagne sowie das Kampagnen-Material sind auf der Website www.lauterbach-saugt-praxen-aus.de einsehbar.

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