
Heilmittel
Heilmittel sind ein wichtiger Bestandteil der Krankenbehandlung. Maßgeblich für die Verordnung von Heilmitteln ist die Heilmittel-Richtlinie in der jeweils gültigen Fassung.
Heilmittel 2021 - Was wird anders? Was bleibt gleich?
Am 1. Januar 2021 tritt die überarbeitete Heilmittel-Richtlinie mit dem neuen Heilmittelkatalog in Kraft. Damit wird die Verordnung von Heilmitteln etwas leichter. Das PVS zeigt jetzt die möglichen Eintragungen an, verhindert Überschreitungen der erlaubten Verordnungsmengen pro Formular und erleichtert so das Ausfüllen. Für einen Patienten dürfen und sollen zu Lasten der GKV wie bisher die Heilmittel verordnet werden, die für diesen Patienten notwendig sind.
- Verordnungsfall mit orientierender Behandlungsmenge statt Regelfallsystematik
Der Regelfall ist vom sogenannten Verordnungsfall abgelöst worden. Ein Verordnungsfall umfasst alle Verordnungen
- einer Ärztin/eines Arztes
- auf Grund derselben Diagnose (3-stelliger ICD-Code, z.B. M50. Zervikale Bandscheibenschäden)
- und derselben Diagnosegruppe (z.B. WS), auch bei Wechsel der Leitsymptomatik oder der Heilmittel.
Bisherige Heilmittelverordnungen sollen erfragt werden. Ein neuer Verordnungsfall beginnt
- bei Arztwechsel
- bei einer neuen Diagnose (z.B. M51. Sonstige Bandscheibenschäden), auch wenn sie zur selben Diagnosegruppe gehört
- 6 Monate nach der Ausstellung der letzten Verordnung, unabhängig davon, wann die letzte Behandlung stattgefunden hat.
Es ist für die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht relevant, ob die orientierende Verordnungsmenge überschritten wird oder ob ein neuer Verordnungsfall beginnt.
Für jede Diagnosegruppe wird jetzt eine „orientierende Verordnungsmenge“ angegeben, die nach dem medizinischen Bedarf des Patienten unter- oder überschritten werden darf. Die Aufteilung der Heilmittel in „vorrangig“ und „optional“ ist aufgegeben worden. Die vorrangigen Heilmittel werden zusammengezählt; die „ergänzenden“ Heilmittel werden nur gezählt, wenn sie isoliert verordnet werden. Wenn diese orientierende Verordnungsmenge überschritten wird, weist das PVS darauf hin. Die weitere Verordnung muss nur noch in der Patientendatei (nicht mehr auf dem Formular) begründet werden. Die Genehmigungspflicht, auf die die meisten Krankenkassen ohnehin bereits verzichtet hatten, entfällt vollständig.
- Langfristiger Heilmittelbedarf/Besonderer Verordnungsbedarf
Bei Verordnungen für die Ausnahmeindikationen des langfristigen Heilmittelbedarfs dürfen wie bisher von Anfang an die für maximal 12 Wochen notwendigen Behandlungen verordnet werden. Jetzt gilt diese Regelung auch für die Indikationen des besonderen Verordnungsbedarfs entsprechend der Diagnoseliste der KBV und für die Verordnungen bei vergleichbar schweren Schädigungen, die - wie bisher - von den Kassen genehmigt werden müssen. Diese Diagnosen müssen bis zur 4. Stelle codiert werden. Die Verordnung bleibt auch gültig, wenn nicht alle Behandlungseinheiten in der 12-Wochenfrist erbracht worden sind.
Die Diagnoseliste für den langfristigen Heilmittelbedarf wurde zum 1. Juli erweitert. Außerdem sind die Höchstmengen je Verordnung bei der Ergotherapie in zwei Diagnosegruppen von zehn auf zwanzig verdoppelt worden. Hintergrund ist ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Änderung der Heilmittel-Richtlinie.
Bei schweren und dauerhaften funktionellen oder strukturellen Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten wird oft längerfristig Krankengymnastik oder Sprachtherapie benötigt. Wann dies der Fall ist, definiert der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf (Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie). Eine Verordnung kann dann für eine Behandlungsdauer von bis zu zwölf Wochen erfolgen und Ärzte brauchen die Höchstmenge je Verordnung und die orientierende Behandlungsmenge gemäß Heilmittelkatalog in diesen Fällen nicht zu berücksichtigen.
Bei Glasknochenkrankheit und weiteren Diagnosen
Diese Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf wurde nun um mehrere Krankheitsbilder ergänzt. Dazu gehören unter anderem die Glasknochenkrankheit, ein Normaldruckhydrozephalus und schwere Verbrennungen oder Verätzungen (siehe Infokasten).
Neue Höchstmengen bei psychischen Erkrankungen
Außerdem hat der G-BA im Bereich Ergotherapie bei den Diagnosegruppen PS2 und PS3 die Höchstmenge je Verordnung von zehn auf zwanzig Einheiten heraufgesetzt. Damit soll die Versorgungssituation speziell von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen besser berücksichtigt werden.
Diese haben häufig Schwierigkeiten, sich selbst und ihren Alltag zu organisieren. Dadurch können laut G-BA möglichweise Arztbesuche wegen einer neuen Verordnung eine große Hürde darstellen. Dies sei vor allem der Fall, wenn Ergotherapie mehrmals pro Woche zentraler Bestandteil des Behandlungskonzeptes ist und Betroffene mehrere Verordnungen pro Quartal benötigen. Mit dem Aufstocken der Höchstmenge je Verordnung werde eine kontinuierliche Heilmittel-Versorgung der betroffenen Versicherten gewährleistet.
ICD-10-Code Diagnose Diagnosegruppe Physio-therapie Ergo-therapie Stimm-,
Sprech-,
Sprach- und
Schluck-therapieG61.0 Guillain-Barré-Syndrom PN EN3 G91.2 Normaldruckhydrozephalus ZN EN1 M36.2 Arthropathia haemophilica EX/CS SB1 Q79.6 Ehlers-Danlos-Syndrom WS/EX/CS SB1/SB2 Q78.0 Osteogenesis imperfecta EX/WS SB1 Q87.2 Angeborene Fehlbildungssyndrome mit vorwiegender Beteiligung der Extremitäten EX/CS/LY SB1/SB2 T20.3 Verbrennung 3. Grades des Kopfes und des Halses LY/CS/EX/WS SB2 ST1/SP6/SC T20.7 Verätzung 3. Grades des Kopfes und des Halses T21.3- Verbrennung 3. Grades des Rumpfes LY/CS/EX/WS SB2 T21.7- Verätzung 3. Grades des Rumpfes T22.3- Verbrennung 3. Grades der Schulter und des Armes, ausgenommen Handgelenk und Hand T23.3 Verbrennung 3. Grades des Handgelenkes und der Hand T23.7 Verätzung 3. Grades des Handgelenkes und der Hand T24.3 Verbrennung 3. Grades der Hüfte und des Beines, ausgenommen Knöchelregion und Fuß T24.7 Verätzung 3. Grades der Hüfte und des Beines, ausgenommen Knöchelregion und Fuß T25.3 Verbrennung 3. Grades der Knöchelregion und des Fußes T25.7 Verätzung 3. Grades der Knöchelregion und des Fußes T29.3 Verbrennungen mehrerer Körperregionen, wobei mindestens eine Verbrennung 3. Grades angegeben ist T29.7 Verätzungen mehrerer Körperregionen, wobei mindestens eine Verätzung 3. Grades angegeben ist - Ein Vordruck für alle Heilmittel, systematischer Aufbau
Die neue Version des Formblatts 13 ersetzt ab 1.10.20 die alten Formblätter 13,16 und 18. Auf dem neuen Formular darf nur ein Heilmittelbereich angekreuzt werden; es ist möglich, an einem Tag mehrere Formulare auszustellen. Das ist bei vielen Diagnosen in den Listen „Langfristiger Heilmittelbedarf“ und „Besonderer Verordnungsbedarf“ notwendig. Der Vordruck ist systematisch aufgebaut:
- Auswahl des Heilmittelbereichs: für jeden Heilmittelbereich muss eine gesonderte Verordnung ausgestellt werden
- Relevante Diagnose als ICD-Code: Bei Eingabe des ICD-Codes gibt das PVS die Diagnose als Klartext an; sie kann ergänzt werden
- Diagnosegruppe: da die Diagnosegruppen nicht mehr nach der erwarteten Dauer des Behandlungsbedarfs unterschieden werden, gibt es weniger Diagnosegruppen. Wie bisher sind die angeführten Diagnosen als Beispiele genannt; die Diagnosegruppe gilt daher auch für ähnliche Diagnosen. Die „Krankhafte Störung des Schluckaktes“ ist jetzt eine eigenständige Diagnosegruppe und kann mit Schlucktherapie behandelt werden
- Leitsymptomatik: die Leitsymptomatik kann mit einem oder mehreren Buchstaben codiert oder frei beschrieben werden. Der von dem PVS für die Buchstabencodierung angebotene Klartext kann individuell bearbeitet werden
- Heilmittel nach Maßgabe des Kataloges: es dürfen wie bisher nur die Heilmittel verordnet werden, die im Katalog genannt sind. Die früheren „optionalen Heilmittel“ sind jetzt bei den „vorrangigen Heilmitteln“ eingeordnet. Zusätzlich gibt es weiter die „ergänzenden Heilmittel“ Wärme-, Kälte- und Elektrotherapie. Diese dürfen auch isoliert verordnet werden, wenn sie im Katalog als ergänzende Heilmittel genannt werden
Die verordnungsfähigen Heilmittel werden von dem PVS angezeigt und dürfen kombiniert werden: bei Physio- und Ergotherapie maximal 3 unterschiedliche Heilmittel, bei den logopädischen Heilmitteln bis zu 3 verschiedene Behandlungszeiten. Die Menge der zusätzlich ergänzend verordneten Heilmittel darf die Menge der vorrangigen Heilmittel nicht überschreiten.
Doppelbehandlungen sind jetzt ausdrücklich in medizinisch begründeten Ausnahmefällen erlaubt. Bevorzugt sollen Gruppenbehandlungen verordnet werden, Einzeltherapie nur, wenn sie medizinisch zwingend notwendig ist. Es können ergänzende Angaben gemacht werden (z.B. Doppelbehandlungen, Art der Wärmetherapie). Die Zahl der Massagetherapien ist jetzt auf 12 (vorher 10) im Verordnungsfall begrenzt. Das PVS erlaubt eine Überschreitung nicht.
Die Gesamtzahl der Behandlungseinheiten für die vorrangigen Heilmittel je Verordnung ist im Heilmittelkatalog festgelegt; auch hier erlaubt das PVS keine Überschreitung. Standardisierte Heilmittelkombinationen dürfen wie bisher nur bei komplexen Schädigungsbildern verordnet werden, aber jetzt mit bis zu 12 statt vorher 10 Behandlungseinheiten im Verordnungsfall. Es müssen mindestens 3 Heilmittel eingetragen werden; die Entscheidung darf aber auch den Therapeutinnen überlassen werden.
Das PVS wird das Feld Therapiefrequenz mit „1-3x wöch.“ belegen; das vermindert Rückfragen der Heilmittel-Therapeuten. Die Frequenz darf aber auch ärztlich festgelegt werden.
- Behandlungsbeginn: die Verordnung ist 28 Tage gültig, aber nur 14 Tage, wenn das Feld „Dringlicher Behandlungsbedarf“ markiert wird.
- Änderungen bei der Podologie
Bereits seit dem 1.7.20 darf Podologische Therapie auch bei Gefühls- oder Durchblutungsstörungen bei Neuropathien (NF) und beim Querschnittssyndrom (QF) verordnet werden, die dem Diabetischen Fußsyndrom vergleichbar sind (wie bisher nur beim Wagner-Stadium 0). Neu ist die Verordnungsmöglichkeit bei eingewachsenem Zehennagel Stadium 1.
- Übergangsregelungen
Verordnungen, die vor dem 1.10.20 ausgestellt worden sind, gelten nach dem 1.10. weiter, bis alle Behandlungen erbracht wurden. Alle Verordnungen ab dem 1.10. gelten als neuer Verordnungsfall. Die für die vorgesehenen Blankoverordnungen notwendigen Verträge zwischen dem GKV-SV und den Heilmittelerbringern, bei denen die KBV beteiligt ist, sollen bis zum 15.3.2021 abgeschlossen sein. Wir werden Sie informieren.
- Auswirkungen auf Wirtschaftlichkeitsprüfung
Die Prüfverfahren sind von den Änderungen nicht betroffen. Nach der alten Regelung sollten Verordnungen außerhalb des Regelfalls von den Kassen genehmigt werden; damit wären sie wirtschaftlich gewesen. Jetzt gibt es das Genehmigungsverfahren nicht mehr. Die meisten Kassen hatten schon lange auf dieses Verfahren verzichtet.
Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung werden die Verordnungskosten addiert. Kosten für die Behandlung der Krankheiten, die in der Liste „Langfristiger Heilmittelbedarf“ genannt und der Krankheiten, die auf Antrag des Patienten von der Kasse als „vergleichbar schwere Schädigung“ anerkannt sind, erscheinen nicht in der Wirtschaftlichkeitsberechnung. Krankheiten auf der Liste „Besonderer Verordnungsbedarf“ werden bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen als Praxisbesonderheit anerkannt.