
Außerklinische Intensivpflege
Mit Verabschiedung der neuen AKI-Richtlinie ist die außerklinische Intensivpflege zukünftig nicht mehr über die Häusliche-Krankenpflege verordnungsfähig.
Zur Umsetzung dieser Richtlinie wird eine enge Zusammenarbeit von Leistungserbringern aus mindestens 3 Gruppen zur Versorgung Schwerstkranker, meist beatmeter Patienten, erforderlich: Zunächst ein(e) Arzt/Ärztin aus einer definierte Gruppe zur Potentialerhebung berechtigter Ärzte/Ärztinnen bezüglich einer möglichen Beatmungsentwöhnung und Trachealkanülen-Entfernung. Diese Gruppe benötigt dazu eine Genehmigung durch die Kassenärztlichen Vereinigung. Des Weiteren ein(e) Arzt/Ärztin aus einer zweiten ebenfalls definierten Gruppe von Ärzten zur Verordnung und Betreuung der Intensivpflichtigen. Diese Gruppe benötigt, mit Ausnahme der Hausärzte und hausärztlichen Internisten, keine Genehmigung. Sowie letztendlich die Pflegekraft aus der Gruppe der Pflegenden, die besondere Kenntnisse im Bereich der Intensivpflege vorweisen müssen.
Achtung: Zur Sicherung der Versorgung wurden grundlegende Regelungen vom G-BA mit einem Beschlusses vom 20.7.23 https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1121/ aktualisiert. Diese sind noch nicht vom BMG geprüft und veröffentlicht und werden deshalb im folgenden Text mit „künftig“ in kursiver Fettschrift gekennzeichnet.
- Übergangsregelung
Um eine nahtlose Patientenversorgung zu gewährleisten, darf die außerklinische Intensivpflege bis zum 30. Oktober 2023 weiterhin wie gewohnt auf Formular 12 für die häusliche Krankenpflege verordnet werden. In diesem Fall können die neuen EBM-Leistungen nicht abgerechnet werden. Die Abrechnung ist erst möglich, wenn die Verordnung nach der neuen Richtlinie erfolgt.
Ab dem 30. Oktober sind nur noch Verordnungen entsprechend den Voraussetzungen und Bedingungen der AKI-Richtlinie auf Muster 62 B und C möglich. In begründeten Fällen zur Sicherstellung der Versorgung darf noch bis zum 31.12.2024 von der Potentialerhebung abgesehen werden.
- Formulare 62A-C
Die Einführung der Formulare 62B und 62C erfolgt zum Stichtag 1. Januar 2023.
Das neue Formular 62A ist dafür vorgesehen, das Ergebnis der Potenzialerhebung zu dokumentieren, die vor der Verordnung durch hierfür besonders qualifizierte Ärzte erfolgt. Formular 62A kann bereits vor dem 1. Januar 2023 genutzt werden, damit die Potentialerhebung bereits vor dem 1. Januar 2023 erfolgen kann. Formular 62B ist für die Verordnung zu verwenden und Formular 62C für den Behandlungsplan, der jeder Verordnung beizulegen ist.
Die Muster-Formulare sowie die Vordruckerläuterungen finden Sie unter https://www.kbv.de/html/60923.php
Die Formulare sind über den Paul Albrecht Verlag zu beziehen oder werden für den Blankoformulardruck von den Softwareherstellern zur Einbindung in die Praxisverwaltungssysteme bereitgestellt.
- Inhalt der Richtlinie (Voraussetzungen)
Anspruchsvoraussetzungen (§1)
- Anspruch haben Versicherte mit besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, d.h., die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle u. Einsatzbereitschaft im gesamten Verordnungszeitraum ist erforderlich.
- Ein Anspruch besteht nur, wenn Versicherte AKI nicht selbst durchführen können.
- Gesundheitliche Eigenkompetenz, Eigenverantwortungsbereich der Versicherten und besondere Belange von Kindern und Jugendlichen sind zu berücksichtigen.
- Die Versorgung durch An- und Zugehörige soll ermöglicht werden.
Die AKI ist an folgenden Orten möglich:
- in vollstationären Pflegeeinrichtungen
- in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe
- in Wohneinheiten im Sinne des § 132l Abs. 5 Nr. 1 SGBV, sogen. Beatmungs-WGs
- im Haushalt der Versicherten oder der Familie oder an sonst. geeigneten Orten – in betreuten Wohnformen, Schulen, Kitas und in Werkstätten für Menschen
Ziele (§ 2)
Neben der Erhaltung, der Förderung und Verbesserung der Patienten- und Versorgungssicherheit ist die Verbesserung der Lebensqualität - bezogen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität im Rahmen des Leistungsumfangs der Krankenkassen - ein wesentliches Ziel.
Weitere (individuelle, patientenzentrierte) Therapieziele sind u. a.:
- Sicherstellung der Vitalfunktionen
- Funktionsbeeinträchtigungen verbessern sowie Vermeidung von lebensbedrohlichen Komplikationen
- Optimale und individuelle Hinführung zur Dekanülierung, zur Entwöhnung von der invasiven Beatmung oder Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung
- Perspektivisches Potenzial (z. B. zur Dekanülierung oder Beatmungsentwöhnung) soll stabilisiert bzw. verbessert werden
Leistungsumfang (§ 3)
- Permanente Interventionsbereitschaft, Anwesenheit und Leistungserbringung durch geeignete Pflegefachkraft über den gesamten Versorgungszeitraum zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege
- pflegerische und medikamentöse Behandlungsmaßnahmen
- Sicherstellung der Vitalfunktionen, lebensbedrohliche Komplikationen vermeiden bzw. frühzeitig erkennen
- Bei Bedarf können auch Heilmittel wie Schluck- und Atemtherapie und/oder notwendige Hilfsmittel verordnet werden
Potenzialerhebung (§ 5)
Bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten erfolgt vor jeder Verordnung jeweils individuell eine Potenzialerhebung. (künftig darf bis einschließlich zum 31.12.2024 zur Sicherstellung der Versorgung von einer vorangehenden Potentialerhebung abgesehen werden.)
Dabei wird insbesondere Folgendes erhoben und dokumentiert:
- das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung (Weaning),
- das Potenzial für eine Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung,
- das Potenzial zur Entfernung der Trachealkanüle (Dekanülierung),
- beziehungsweise die Möglichkeiten der Therapieoptimierung sowie die jeweils zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen.
Für den Fall, dass die Beatmung / Trachealkanüle dauerhaft indiziert oder eine Dekanülierung oder Entwöhnung zum Zeitpunkt der Erhebung nicht möglich oder absehbar ist, sind die konkreten Gründe zu dokumentieren. Nur sofern keine Aussicht auf eine nachhaltige Besserung besteht und eine Dekanülierung oder Entwöhnung dauerhaft nicht möglich ist, sind Ausnahmen von der regelmäßigen Potenzialerhebung möglich.
Die Dokumentation des Ergebnisses erfolgt auf Formular 62A „Ergebnis der Erhebung des Beatmungsentwöhnungs- bzw. Dekanülierungspotenzials gemäß AKI-Richtlinie des G-BA".
Qualifikation der potenzialerhebenden Ärzte (§ 8)
Sowohl zur Verordnung als auch Potenzialerhebung ist eine besondere ärztliche Qualifikation erforderlich. Ärzte in Praxen und Krankenhäusern, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, sind zur Potentialerhebung berechtigt - diese nehmen zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teil und müssen dazu bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung eine Genehmigung (s.u.) einholen.
- Zur Potenzialerhebung berechtigt sind:
Fachärzte/-innen mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin / für Innere Medizin und Pneumologie / für Anästhesiologie mit mindestens 6-monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit / für Innere Medizin, Chirurgie, Neurochirurgie, Neurologie oder Kinder- und Jugendmedizin mit mindestens 12-monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer Beatmungsentwöhnungs-Einheit - weitere Fachärzte mit mindestens 18-monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit
- bei nicht beatmeten Patienten auch Fachärzte mit mindestens 18-monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer stationären Einheit der neurologisch-neurochirurgischen Früh-Reha
Künftig auch:
Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendmedizin mit der Zusatzbezeichnung Kinder- und Jugend-Pneumologie
Fachärzte/-innen mit jeweils einschlägiger Tätigkeit in der Behandlung von langzeitbeatmeten oder trachealkanülierten, nicht beatmeten Kindern und Jugendlichen auf einer hierfür spezialisierten stationären Einheit, in einer entsprechend hierfür spezialisierten Hochschulambulanz oder in einem entsprechend hierfür spezialisierten sozialpädiatrischen Zentrum:
- Fachärzte/-innen für Anästhesiologie: mindestens sechs Monate Tätigkeit
- Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendmedizin: mindestens zwölf Monate Tätigkeit
- weitere Fachärzte/-innen: mindestens 18 Monate Tätigkeit
Bei jungen Volljährigen kann die Erhebung bei einschlägiger Tätigkeit in der Behandlung von langzeitbeatmeten oder trachealkanülierten, nicht beatmeten Versicherten in einem hierfür spezialisierten medizinischen Behandlungszentrum (MZEB) zusätzlich erfolgen durch:
- Fachärzte/-innen für Anästhesiologie: mindestens sechs Monate Tätigkeit
- weitere Fachärzte/-innen: mindestens 18 Monate Tätigkeit
Im Rahmen des Entlassmanagements:
- Fachärzte/-innen mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin,
- Fachärzte/-innen mit mindestens 3-jähriger Erfahrung in einer Beatmungsentwöhnungs-Einheit
Die Befugnis zur Potenzialerhebung bedarf immer einer Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg. Dazu setzen Sie sich bitte mit der Abteilung Genehmigung ( genehmigung@kvhh.de ) in Verbindung
Qualifikation der verordnenden Ärzte (§ 9)
Zur Verordnung (auf der Grundlage einer Potenzialerhebung) sind berechtigt:
- Fachärzte/‐innen mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin,
- Fachärzte/‐innen für Innere Medizin und Pneumologie,
- Fachärzte/‐innen für Anästhesiologie,
- Fachärzte/‐innen für Neurologie,
- Fachärzte/‐innen für Kinder‐ und Jugendmedizin,
- Hausärzte/‐innen, hausärztliche Internisten/innen (künftig alle Vertragsärzte/-ärztinnen) wenn sie über Kompetenzen im Umgang mit beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten verfügen.
Hausärzte bzw. hausärztlichen Internisten benötigen für die Verordnung eine besondere Genehmigung. Diese erhalten Hausärzte kurzfristig entweder durch einen einzureichenden Erfahrungsnachweis oder durch die Bekundung der Bereitschaft innerhalb von sechs Monaten an einer speziellen Online-Fortbildung teilzunehmen. Den Antrag und weitere Informationen zur Genehmigung finden Sie hier.
Die mit bis zu neun CME-Punkten zertifizierte Online-Fortbildung „Außerklinische Intensivpflege“ steht im KBV-Fortbildungsportal bereit. Die Anmeldung erfolgt mit Ihren persönlichen Login-Daten, die Sie von der KV Hamburg erhalten haben, auf https://fortbildungsportal.kv-safenet.de/ (Login erforderlich).
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Die Online-Fortbildung umfasst drei Teile:Teil 1: Module „Krankheitsbilder“ und „Weaning – Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung“,
Teil 2: Module „Hilfsmittel in der außerklinischen Intensivpflege – Beatmungsgeräte und Zubehör“ sowie „Therapieoptimierung“ und
Teil 3: Modul „besondere Versorgungssituationen“.
Jeder Teil setzt sich aus den Lerninhalten und jeweils zehn Multiple-Choice-Prüfungsfragen zusammen.
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Für die Verordnung ist das Formular 62B zu verwenden und das Formular 62C für den Behandlungsplan, der jeder Verordnung beizulegen ist.
Zusammenarbeit (§ 12)
Der Stellenwert einer guten Kooperation und Koordination zur Sicherstellung der Versorgungskontinuität ist aufgrund der Komplexität der Erkrankungen und Behandlungs-verläufe in der außerklinischen Intensivpflege besonders hoch.
So sollen die ärztlich an der außerklinischen Versorgung Beteiligten und weitere Angehörige von Gesundheitsfachberufen (z. B. geeignete Pflegefachkräfte, Logopäden, Ergo‐ und Physiotherapeuten, Hilfsmittelversorger, Atmungstherapeuten) in einem Netzwerk eng zusammenarbeiten.
Ärzte, die außerklinische Intensivpflege verordnen, tragen die Verantwortung für die Koordination der medizinischen Behandlung der Versicherten einschließlich der rechtzeitigen Einleitung des Verfahrens zur Potenzialerhebung.
Krankenkassen sind mit in die Versorgung einzubeziehen. Sie sollen insbesondere dahingehend unterstützend mitwirken, im Falle einer anstehenden Entwöhnung geeignete stationäre Einrichtungen mit verfügbaren Versorgungskapazitäten zu benennen.
- Vergütung
Zum Start der gesetzlich neu geregelten außerklinischen Intensivpflege haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband jetzt die entsprechende Vergütung vereinbart. Dazu werden mehrere neue Leistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen.
Insgesamt enthält der neue Abschnitt 37.7 des EBM neun neue Gebührenordnungspositionen (GOP), die zum 1. Dezember 2022 beziehungsweise 1. Januar 2023 aufgenommen und extrabudgetär vergütet werden.
Neue Leistungen ab 01.12.2022 im Überblick
GOP Beschreibung Bewertung* Hinweise Ab 1. Dezember 2022 im EBM 37700 Erhebung Potenzialerhebung (gemäß § 5 der AKI-RL) auf Formular 62A 257 Pkt. / 29,43 € Einmal im Behandlungsfall 37701 Zeitzuschlag zur Erhebung bei Besuch Zuschlag zur GOP 37700 bei Durchführung der Erhebung im Rahmen eines Besuchs nach GOP 01410 oder 01413 128 Pkt. / 14,66 € Je weitere vollendete 10 Minuten, höchstens dreimal im Behandlungsfall 37704 Zuschlag Schluckendoskopie Zuschlag zur GOP 37700 für Schluckendoskopie 294 Pkt. / 33,66 € 37705 Zuschlag Säurebasenhaushalt / Blutgasanalyse Zuschlag zur GOP 37700 für Bestimmung des Säurebasenhaushalts und Blutgasanalyse 84 Pkt. / 9,62 € GOP 37706 Grundpauschale für Krankenhäuser und Privatärzte Grundpauschale im Zusammenhang mit der GOP 37700 für Ärzte und Krankenhäuser gemäß § 5 Absatz 2 Satz 2 der AKI-Richtlinie 159 Pkt. / 18,20 € Einmal im Behandlungsfall GOP 37714 Konsiliartätigkeit Pauschale für die konsiliarische Erörterung und Beurteilung medizinischer Fragestellungen durch einen konsiliarisch tätigen Arzt 106 Pkt. / 12,14 € Einmal im Behandlungsfall Ab 1. Januar 2023 im EBM 37710 Verordnung auf Formular 62B und Behandlungsplan auf Formular 62C 167 Pkt. / 19,10 € Höchstens dreimal im Krankheitsfall 37711 Zuschlag zur Versichertenpauschale oder Grundpauschale für den die außerklinische Intensivpflege koordinierenden Vertragsarzt (gem. §12 Abs. 1 der AKI-RL) 275 Pkt. / 31,60€ Einmal im Behandlungsfall 37720 Fallkonferenz gem. §12 Abs. 2 der AKI-RL 86 Pkt. / 9,88 € Höchstens achtmal im Krankheitsfall *0,114494 € (Hamburger Punktwert 2022) / *Hamburger Punktwert 2023 folgt.
- Informationsbroschüre
Eine 24-seitige Informationsbroschüre zur seit dem 1. Januar 2023 gültigen Außerklinischen Intensivpflege-Richtlinie ist in der Reihe "PraxisWissen" der KBV erschienen. Diese Broschüre ist online als PDF-Dokument verfügbar sowie auf der Homepage der KBV bestellbar.
Weitere inhaltliche Fragen beantwortet Ihnen gerne die
Abteilung Verordnung und Beratung
Tel. 040 22802 – 571/572
Bei Fragen zur Genehmigung wenden Sie sich bitte an die
Abteilung Genehmigung
Tel. 040 22802 - 451/663/573