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17.08.2019

„Selbstverwaltung braucht Freiheit!“ 100 Jahre vertragsärztliche Versorgung für die Menschen in Hamburg – und es geht weiter

Am Sonnabend hat die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) mit einer großen Jubiläumsveranstaltung ihr einhundertjähriges Bestehen gefeiert – unter Mitwirkung von Hamburgs Erstem Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher. Rund 250 Gäste aus Ärzteschaft, Selbstverwaltung, Politik, Medien und zahlreichen Institutionen des Hamburger Gesundheitswesens diskutierten im Ärztehaus über die Bedeutung der Selbstverwaltung für die Versorgung der Menschen – und Entwicklungen, die das System in Gefahr bringen könnten.

Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KVH, ging in seinem Festvortrag vor allem auf die historische Entwicklung des KV-Systems ein: „Als die Vereinigung der Krankenkassenärzte Groß-Hamburgs 1919 als erste KV in Deutschland gegründet wurde, ging es den Ärzten darum, die Versorgungsqualität für alle Patienten zu vereinheitlichen und die freie Arztwahl durchzusetzen. Die Ärzte, allen voran Dr. Julius Adam und Dr. Hugo Niemeyer, erkannten damals, dass sie als Kollektiv mit den Kassen verhandeln müssen, um ihre Patienten nach den Prinzipien der Freiberuflichkeit behandeln zu können.“ 

Heinrich führte das Auditorium durch die turbulenten Gründungsjahre der KV Hamburg, berichtete von der Zerstörung der Selbstverwaltung sowie der Entrechtung, Verfolgung und Ermordung jüdischer Ärztinnen und Ärzte in der Zeit des Nationalsozialismus und vom Wiederaufbau der Selbstverwaltung nach dem Krieg. „Die Ur-Ideen der Selbstverwaltung sind heute so lebendig wie vor 100 Jahren. Sie sind die Basis, auf der das wohl beste Gesundheitssystem der Welt entstanden ist.“ Nur der Vertragsarzt bringe eine hohe Versorgungsqualität, die Wirtschaftlichkeit der Behandlung und die Erwartungen der Patienten in einem solidarischen System in Einklang. Das sei der Kern des hoheitlichen Sicherstellungsauftrags, der täglich in den 3300 Hamburger Arzt- und Psychotherapeutenpraxen mit Leben erfüllt werde. „Wenn es die KV nicht gäbe, müsste man sie erfinden“, fasste Heinrich die Bedeutung der ärztlichen Selbstverwaltung zusammen.

Hamburgs Erster Bürgermeister, Dr. Peter Tschentscher, hob in seinem Grußwort die hohe Qualität der medizinischen Versorgung in Hamburg hervor. „Hamburg hat ein hervorragendes Gesundheitswesen mit rund 60 Kliniken, 5200 niedergelassenen Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten sowie insgesamt über 120.000 Beschäftigten. Die Kassenärztliche Vereinigung als anerkannte Selbstverwaltung ist ein wichtiger Partner für die Stadt, um die gute medizinische Versorgung in Hamburg sicherzustellen. Mit der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie können wir der demografischen Entwicklung und dem Wandel der Quartiere in Zukunft besser gerecht werden.“

Walter Plassmann, Vorsitzender des Vorstandes der KVH, ging in seinem Impulsvortrag auf die großen Herausforderungen ein, mit denen sich die Selbstverwaltung derzeit konfrontiert sehe: „Es gibt politische Bestrebungen, die unser hervorragendes Gesundheitssystem in Gefahr bringen; zum einen durch zunehmende Ökonomisierung, zum anderen durch ausufernde staatliche Eingriffe. Das sind Gefahren, denen wir entschieden entgegentreten. Selbstverwaltung braucht Freiheit. Deshalb fordern wir von der Politik, der Selbstverwaltung wieder mehr Vertrauen entgegenzubringen.“ Niemand könne die ambulante Versorgung so gut organisieren wie die Ärzte selbst. Dies werde auch zukünftig unter Beweis gestellt, etwa durch den weiteren Ausbau des Bereitschaftsdienstes „Arztruf Hamburg“ oder eine umfassende Termin- und Serviceplattform für die Patienten, die ab 2020 auch digital zu erreichen sein wird.

Über die Entwicklung des Gesundheitssystems und die zukünftige Rolle der Selbstverwaltung diskutierten Heinrich und Plassmann anschließend mit Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks, der gesundheitspolitischen Sprecherin der Hamburger FDP Jennyfer Dutschke und dem Vorstandsvorsitzenden der DAK Andreas Storm – unter Einbeziehung des Publikums, das sich lebhaft beteiligte.

Auf der Jubiläumsveranstaltung wurde eine wissenschaftliche Publikation der Historikerin Dr. Anna von Villiez und des Historikers Professor Dr. Hans-Walter Schmuhl zur einhundertjährigen Geschichte der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg vorgestellt. Das Buch „Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg. Selbstverwaltung zwischen Markt und Staat“ erscheint in zwei Bänden im Dölling & Galitz Verlag. Es ist die erste historische Gesamtdarstellung der Institution der KVH und ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte des Gesundheitswesens in Hamburg. Der erste Band (1919-1964) ist ab sofort im Buchhandel erhältlich, der zweite Band (1965-2019) wird gegen Ende des Jahres erhältlich sein.

Flankiert wird die Buchveröffentlichung von der Ausstellung „100 Jahre Kassenärztliche Vereinigung Hamburg“ im Foyer des Ärztehauses, in der anhand von Archivmaterial, Fotos, Filmen, Exponaten und anderen Zeitdokumenten die spannende und wechselvolle Geschichte der ärztlichen Selbstverwaltung themenspezifisch dargestellt wird. Die Ausstellung ist bis zum 30. September 2019 jeweils von Montag bis Freitag zu besuchen.